Auf dem Weg nach Paris: Boris Nicolai und Anita Raguwaran bereit für die Herausforderung

Heute ist es so weit: Unsere Para-Boccia-Spieler Anita Raguwaran und Boris Nicolai machen sich auf den Weg nach Paris, um an den bevorstehenden Sommerspielen teilzunehmen, die vom 28. August bis zum 08. September 2024 in der Stadt an der Seine stattfinden werden. Rund 4.400 der weltbesten Athletinnen und Athleten mit körperlicher Behinderung werden in 22 Sportarten um Medaillen und gute Platzierungen antreten. Die beiden HYLO^®-Athleten werden die einzigen Vertreter für Deutschland im Para Boccia in Paris sein. Beide treten jeweils in der Klasse BC 4 im Einzel-Wettbewerb an. 

Boris Nicolai
Der Pionier des deutschen Para-Boccia

Der 39-jährige Boris Nicolai aus Sankt Ingbert ist der erste deutsche Para-Boccia-Spieler, der es bis zu den Spielen geschafft hat. Seine Reise begann eher zufällig während eines Urlaubs auf Teneriffa, wo er erstmals mit dem Sport in Berührung kam. Seitdem hat er sich kontinuierlich bis unter die Top-10 der Welt gespielt und beachtliche Erfolge erzielt. Darunter eine historische Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften 2018 in Liverpool. Nicolai, der früher Tennis spielte, schätzt besonders die taktischen und präzisen Aspekte des Boccia-Spiels. Für Boris sind es bereits die zweiten Spiele nach seinem Debüt 2021 in Tokio, wo er unter Pandemie-Bedingungen, ohne Publikum antrat. Die Vorfreude auf Paris ist besonders groß:

Ich freue mich auf eine stimmungsvolle Atmosphäre und bin stolz, Deutschland in meiner Sportart Para Boccia wieder vertreten zu können

Anita Raguwaran
Ein Traum wird wahr, Premiere in Paris

Für Anita Raguwaran werden es die ersten Spiele sein, und sie ist die erste deutsche Frau, die im Para-Boccia antritt. Die 34-Jährige aus Saarbrücken-Dudweiler hat bereits mehrfach ihr Können unter Beweis gestellt. Ihre Leidenschaft für den Sport wurde von ihrem Teamkollegen Boris Nicolai geweckt, den sie 2015 in einer Reha-Klinik kennenlernte. Seitdem hat sie zahlreiche Erfolge erzielt, darunter einen fünften Platz bei der Weltmeisterschaft 2022 in Rio. Die Qualifikation für Paris erfüllt Anita mit unbeschreiblichem Glück:

Als Kind hatte ich das Kapitel Sport eigentlich abgeschlossen, Sport war nie eine große Sache für mich – jetzt, auf der großen Bühne mit dabei zu sein, ist unglaublich!

Gemeinsam stark 

Beide Athleten haben Muskeldystrophie, eine genetisch bedingte Muskelschwäche. Beide trainieren beim BRS Gersweiler-Ottenhausen e.V. und haben sich in den letzten Jahren zu einem starken Duo entwickelt. Für die deutsche Nationalmannschaft haben sie in den vergangenen Jahren zahlreiche Erfolge im Pair (Mixed-Wettbewerb) erzielt. Mit dem Weltcupsieg 2022 in Rio de Janeiro haben sie deutsche Para-Boccia-Geschichte geschrieben. Für Paris hat es leider mit der Qualifikation für den gemeinsamen Auftritt nicht gereicht – auch wenn dieser Weg der vermeintlich leichtere in die französische Hauptstadt gewesen wäre. Boris Nicolai hatte sich schon frühzeitig über Platz 8 in der Weltrangliste einen Einzelstartplatz für seine zweiten Spielen gesichert. Anita machte es etwas spannender und erkämpfte sich mit einem starken dritten Platz, Anfang Juni beim World Cup São Paulo noch Platz 10 in der Weltrangliste und den zweiten Einzelstartplatz für Deutschland, ihr Premieren-Ticket nach Paris. 

Spitzensport und höchste Präzision im Nebenjob 

Das deutsche Duo wird nicht als Medaillen-Favorit in die französische Metropole reisen. Para Boccia auf Weltklasseniveau zu betreiben, erfordert ein professionelles Engagement. Die Anforderungen sind enorm. Diese Präzisionssportart verlangt eine hohe Wiederholrate bei den Würfen, zahlreiche Trainingseinheiten, viel Zeit und Hingabe, ein feines Ballgefühl, starke Nerven und eine ruhige Hand. Die besten in der Weltspitze trainieren als Vollprofis zweimal täglich mehrere Stunden, einschließlich Techniktraining, Wiederholungen, Mentaltraining und Physiotherapie. Im Gegensatz dazu bewältigen die beiden Deutschen ihr Trainingspensum von viermal zwei Stunden pro Woche neben ihren Vollzeitjobs als Assistenzärztin in der Radiologie und als Maschinenbautechniker in einem großen Industrieunternehmen. „Das ist der große Unterschied zu uns“, erklärt Boris Nicolai: „Die Vollprofis trainieren etwa doppelt so viel.“ 

Zwischen Vorrunde und Medaillenchance

Für Anita Raguwaran wie auch für Boris Nicolai ist das Weiterkommen in der Vorrunde, gleichbedeutend mit dem Erreichen des Viertelfinals, das selbstgesteckte Ziel für Paris. Mit etwas Glück bei der Auslosung der Pools, bestehen durchaus Chancen auf höhere Platzierungen. Die Weltspitze ist sehr eng. Anita hat im Juni beim Weltcup in Brasilien mit der Bronzemedaille, ebenso wie Boris gerade bei seiner Generalprobe in Taipeh gezeigt, dass sie durchaus auch mit den Top-Playern mithalten können. Boris Nicolai möchte: „unter die ersten Acht kommen, und dann von Spiel zu Spiel schauen, ob es noch weiter gehen kann.“ 

Vorbereitung im Pre Camp

Vom 09. bis 13. August haben Boris und Anita zusammen mit ihren Trainern und Betreuern der Nationalmannschaft ein intensives Trainingscamp am Sportcampus in Saarbrücken abgehalten. Unterstützt wurden sie dabei von Samuel Andrejcik, der als Sparringspartner und Berater fungierte. Der amtierende Goldmedaillengewinner von Tokio und hochdekorierte, extrem erfahrene Para-Boccia-Spieler aus Tschechien, konnte unsere beiden Athleten für Paris noch einmal auf höchstem Niveau vorbereiten und einstimmen. Mit praktischen und taktischen Tipps und zahlreichen gemeinsamen Trainingsspielen auf höchstem Niveau im Gepäck, sind die beiden Saarländer gut gerüstet für die Mission Paris. Dank der gut vorbereiteten Boccia-Courts und der hervorragenden Unterkunft konnten sich die Athleten optimal auf die Spiele vorbereiten.

Die Etappen der Paris-Reise 

Die Anreise nach Paris erfolgt mit dem Bus. Vom 24. bis 27. August haben Boris und Anita täglich eine Trainingseinheit und die Möglichkeit, das paralympische Dorf, die Wettkampfhalle „South Paris Arena 1“ und das Deutsche Haus kennenzulernen. Die Eröffnungsfeier findet am Abend des 28. August auf den Champs Elysees statt, beide Athleten freuen sich, an diesem prachtvollen Spektakel teilnehmen zu dürfen. 

Die Wettkämpfe im Einzel der Klasse BC 4 finden vom 29. August bis 02. September statt. In ihren Gruppen werden die beiden Deutschen jeweils drei Gruppenspiele, täglich eines, bis zum 31. August austragen. Anschließend folgen die K.O.-Spiele. Die genauen Zeiten werden noch bekanntgegeben. 

Wir wünschen Anita Raguwaran und Boris Nicolai viel Erfolg und spannende, einzigartige Augenblicke bei den Spielen in Paris!